Eigentlich wollte ich ganz weit weg, auf den Weltmeeren unterwegs sein, erzählt Thomas B. - Ein Besuch bei Ulrike und Thomas B.
Ulrike B.(58) kommt aus dem Altem Land, hat das Bäckerhandwerk gelernt und nach der Ausbildung das Fachabitur gemacht, um dann, Ökotrophologie zu studieren. Vor der 3,5jährigen Studiumszeit jobbte sie bei der Schiffslinie TT in der Küche. Dort hat sie Thomas kennen- und lieben gelernt. 1991 wurde geheiratet und schon 1992 haben sie sich gemeinsam selbständig gemacht. Inzwischen arbeitet und lebt das Powerpaar seit 37 Jahren zusammen.
Thomas B. (60) hat das Schlachterhandwerk in Neugraben gelernt, aufgewachsen ist er in einem Schlachterhaushalt in Hamburg Wandsbek. Nach seiner Ausbildung trat er seinen Dienst bei der Bundeswehr an und arbeitete dort für eineinhalb Jahre in der Küche. Es brachte ihm so viel Spaß, dass er von einer Karriere als Schiffskoch auf einem Kreuzfahrtschiff träumte. Folgerichtig heuerte er bei der TT Linie an und arbeitete zunächst als Schlachter. Das Schicksal nahm jedoch eine etwas andere Richtung ein, besonders als er sich in die junge Ulrike verliebte, die zur gleichen Zeit auf dem Schiff jobbte. Koch wollte Thomas immer noch unbedingt werden und zog von 1987 – 1989 seine Umschulung durch, allerdings nicht auf einem Kreuzfahrtschiff, sondern im Hamburger Nobel-Restaurant La Fayette. Es gefällt ihm dort und er erhält eine sehr gute Ausbildung, wobei der Schiffstraum stets in seinem Hinterkopf blieb.
Die berufliche Wende zeichnete sich durch ein familiäres Ereignis ab. Thomas Elternhaus mit dazugehöriger Schlachterei wurde von seiner Mutter mit dem Stiefvater bewohnt bis dieser im Jahr 1989 stirbt. Der Betrieb war bereits vorher vom Pächter der Schlachterei in die Insolvenz gegangen und alles Inventar war verkauft. Zurück blieb die Mutter, die ihren einzigen Sohn fragt, was nun werden solle.
Thomas und Ulrike steckten ihre Köpfe zusammen und beratschlagten. Sie entschieden sich füreinander und für einen gemeinsamen neuen Berufsstart in Thomas Elternhaus. Die Idee mit frischen Salaten Wochenmärkte zu beschicken wurde geboren. Damit setzen sie gewissermaßen eine Tradition fort, da Thomas Mutter und Stiefvater auf Wochenmärkten ihre Schlachterprodukte verkauft hatten. Ulrike schaute ihrerseits auf positive Erfahrung zurück, die sie auf dem Hamburger Fischmarkt gesammelt hatte. Koch Thomas und Ökotrophologin Ulrike testeten und testeten verschiedene Salate. Diese lassen sie von Freunden und Bekannten probieren. So kreierten und tüfftelten sie bis das erste Sortiment frischer Salate zusammengestellt war.
Bis heute bereitet Thomas alle Salate selbst zu und macht inzwischen auch wöchentlich wechselnde Mahlzeiten zum Mitnehmen. Dazu hat er sich im Elternhaus alles perfekt eingerichtet mit einem Vorkühlraum, Kühlhaus und allen erforderlichen Gerätschaften in der Küche. Er leistet noch richtige Handarbeit, schnippelt und schneidet alle Zutaten selbst, darauf legt er sehr großen Wert. Auch gibt es keine Fertigprodukte in seinen Salaten, so arbeitet er schon jahrelang ganz im Sinn der Nachhaltigkeit! Den Einkauf der Ware und den Verkauf der Salate auf den Wochenmärkten erledigt Ulrike, mit großer Freude! Stolz sind sie beide darauf in ihrem gemeinsamen Berufsleben nur einmal Schulden gemacht zu haben, nämlich für das Auto und den Anhänger für den Wochenmarkt. Das ist zum Glück schon lange her, sagt Thomas erleichtert. Zur Familie von Ulrike und Thomas zählen eine Tochter (25), sie studiert Arbeits-und Organisationspsychologie und ein Sohn (28), er studiert Umwelttechnik. Die spätere Übernahme des elterlichen Betriebs ist für die Kinder keine Option. Im folgenden Interview erzählen Ulrike und Thomas gemeinsam und abwechselnd:
Welche Produkte verkaufen Sie?
Wir haben heute 70 frische Artikel im Angebot, anfangs waren es nur 40. Hinzu kommen noch Frikadellen, mit Schafskäse gefüllt oder mit Kräutern handgerollt/ummantelt und jeweils ein Mittagsgericht zum Mitnehmen (Essen to go) und dann noch Wraps, oder die beliebten Schüttelbecher unter Sauce, das ist zum Beispiel ein Salat mit Rucola, Tomaten und Schafskäse. Sowohl Thomas als auch Ulrike kommen auf 70-80 Stunden Arbeitszeit per Woche.
Stellen Sie ihre Produkte selbst her?
Ja, und zwar alles. Von Trendprodukten wie Antipasti, Rote Beete mit Birnen und Walnüssen hin zu Kartoffelsalaten, Krautsalat und Fischsalaten.
Außerdem koche ich ca. 100 Portionen Mittagsgerichte per Woche. Mir gefällt es sozusagen „frei nach Schnauze“ zu kochen, da muss ich mich allerdings etwas zügeln, denn die Kunden möchten bei Standardsalaten und Gerichten die exakt gleiche Rezeptur, also Geschmackswelt, erleben.
Was bedeutet Ihre Arbeit für Sie?
In erster Linie Spaß: Ulrike liebt den Verkauf und die Gespräche auf dem Markt. Thomas liebt das Kochen.
Mit welchen beruflichen Themen setzen Sie sich zurzeit auseinander?
Mit administrativen Dingen wie den Kältelisten, die werden vom Verbraucherschutzamt kontrolliert und zwar muss 4 x per Wochenmarkttag wie folgt protokolliert werden:
1. im Kühlhaus, 2. im Anhänger, 3. danach auf dem Wochenmarkt, 4. zum Schluss nochmals, wenn man wieder zurück ist im Lager/Kühlhaus. Unglaublich, oder?
Mussten Sie ihre Preise erhöhen?
Ja, Anfang 2023, wir hatten zum Glück dadurch keinen Kundenrückgang.
Sind sie in einem Berufsverband organisiert?
Wir sind seit Beginn unserer Selbständigkeit im Landesverband des Ambulanten Gewerbes und der Schausteller Hamburg e.V. und damit sehr zufrieden.
Was erwarten Sie von ihrem Berufsverband?
Hilfestellung und dazu können wir sagen, dass Präsident Wilfried Thal sie immer kompetent und gern leistet.
Auf wie vielen Wochenmärkten arbeiten Sie?
Auf 3 Wochenmärkten und zwar 2 x in Langenhorn am Dienstag und Sonnabend und am Freitag in Fuhlsbüttel. Anfangs waren wir auf 8 Märkten.
Kurze Zweifel, ob wir mit unserem Wochenmarktgeschäft richtig entschieden hatten kamen damals auf, als Ulrike von ihrem ersten Wochenmarkt-Tag zurückkam und sich weinend zu Hause hinsetzte, weil sie nur 28 D-Mark eingenommen hatte und davon 23 D-Mark Standgebühr bezahlen musste. Unser Durchstehvermögen und die konsequente Verwendung frischer Produkte haben bestimmt geholfen, dass wir es bis heute geschafft haben.
Haben Sie Freude an ihrem Beruf und würden Sie heute wieder so entscheiden?
Thomas sagt, er würde gleich als Koch starten und es dann bleiben, den Wochenmarkt würde er ohne Ulrike nicht machen wollen. Ulrike ist süchtig nach dem Wochenmarkt, meint er lächelnd. „Der Wochenmarkt ist für mich wie meine zweite Familie“, fügt Ulrike hinzu.
Würden Sie jungen Menschen zu diesem Beruf raten?
Zum Kochberuf ja, aber nur in sehr guten Restaurants sollte die Lehre stattfinden. Der Wochenmarkt hat keine große Zukunft, es wird stetig weniger, meint Thomas. Man sollte Idealist sein und viel arbeiten wollen, das kommt außerdem hinzu.
Wie schätzen Sie die Zukunft der Wochenmärkte in 10 Jahren ein?
Wochenmärkte sollten zeitgemäßer werden. Zum Beispiel neue Marktzeiten von 15-18 Uhr kommt den heutigen Bedürfnissen entgegen. Morgens ist nicht viel los, dafür laufen Nachmittagsmärkte besser, meint er und hat hier seine Käuferzielgruppe besonders im Blick.
Was bedeutet geschäftlicher Erfolg für Sie und hatten Sie damals Förderer/Unterstützer?
Erfolg ist für uns 2 x im Jahr Urlaub machen zu können, denn wir reisen gern mit dem Wohnmobil, wie z.B bei unserer Hochzeitsreise von San Francisco nach Key West. Erfolg ist auch, dass alle Rechnungen bezahlt werden und dass wir unsere Kinder problemlos großgezogen haben. Thomas berichtet: Unsere Förderer sind meine Mutter und mein Opa, denn von ihnen wurde das Haus gebaut in dem wir wohnen und arbeiten. Mein Stiefvater hat alles für den Wochenmarkthandel umgebaut, wie die Garage für den Verkaufshänger. Wir hatten also gute Startbedingungen.
Wie haben Sie die Corona-Pandemie erlebt?
Problemlos sowohl geschäftlich, als auch privat.
Hat sich ihre Arbeit und ihr Leben nach der Corona-Pandemie verändert?
Ja, einige neue Kunden kamen hinzu – also gibt’s seitdem noch mehr Arbeit.
Ganz persönlich… haben Sie noch Zeit für ein Hobby?
Ulrike macht Line-Dance, Thomas spielt Tischtennis; gemeinsam gehen sie gern gut essen, wobei Thomas immer wieder Neues erkundet und sehr gern testet.
Meine Lieblingsmusik ist…..
Thomas: Rolling Stones, ACDC, Tom Petty
Mein Lieblingsbuch ist …..
Thomas: es gibt Etliche, ich lese gern John Grisham und Sebastian Fitzek.
Mit wem würden Sie gern mal über "Gott und die Welt" diskutieren bzw. wen würden Sie gern mal kennenlernen?
Thomas: mit Keith Richards von den Rolling Stones. Ich habe seine Biographie gelesen, bin beeindruckt und hätte noch einige Fragen.
Haben Sie einen Wunsch für die Zukunft?
Thomas: Für das Geschäft wünsche ich mir, dass es noch lange gut geht und es möglich wird die Arbeit auf zwei Tage die Woche zu kürzen. Privat würde ich gern mit Ulrike drei Monate mit Wohnmobil durch USA reisen; allerdings müssen wir uns wohl beeilen, da es nicht mehr so gemütlich und ursprünglich ist, wie es früher war, meint er. Und außerdem genug Geld zu verdienen, um davon leben zu können, denn wir wussten schon damals, dass wir mit unserem Geschäftsmodell nicht reich werden können.
Aber glücklich??
JA.
Danke für das umfangreiche Gespräch und alles Gute für die Zukunft.
Das Gespräch führte Barbara Gitschel-Bellwinkel.
Fotos©Barbara Gitschel-Bellwinkel