Stories vom WochenMarkt

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Stories von VolksFesten

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MarktVergnügen für alle

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MarktVergnügen für alle

Man hört es gleich, Dieter B. ist in Hamburg geboren, Jahrgang 1939. Er ist verheiratet, hat zwei Töchter und einen Urenkel. Zu seiner Berufung machte er den Aal und nebenbei kam dann noch der "Showman" hinzu. Stundenlang kann er erzählen über sein langes erfülltes Berufsleben...
Wie kam es eigentlich zu den Aalen?
Ich bin gelernter Maschinenbauer und half meinem Vater nebenbei auf dem Fischmarkt. Er verkaufte dort Obst in der Nachkriegszeit. Irgendwann benötigte Aale-Wilhelm einen LKW Fahrer, der ihn zu den Märkten bringen sollte. Eine gute Gelegenheit dachte ich und stieg aushilfsweise, nach meiner normalen Arbeitszeit, ein.

Schließlich gefiel es mir so gut, dass ich mich selbständig machte mit meinem eigenen Aalverkauf, so wurde also Aale-Dieter geboren.
Gab es damals eigentlich schon Marktschreier auf dem Fischmarkt, oder ist das ihre Erfindung?
Ja, die gab es schon immer. Bananen-Fred ist so ein Beispiel, den es schon lange vor meiner Zeit gab.
Wie wurden Sie zum besten Verkäufer und entdeckten Ihr Talent?
Das hat sich entwickelt. Ich bin authentisch, das spüren die Menschen und habe Humor, der sich spontan entwickelt. Ideen fallen mir immer plötzlich ein.
Das haben auch die Presseleute bemerkt und plötzlich war ich Gast bei Talkshows, auf dem Roten Sofa usw. – und durfte bei Events über Aale und mehr schnacken.
Heute gebe ich übrigens mein angesammeltes Wissen auch gern in Verkaufsschulungen weiter.
Was war damals vor 60 Jahren anders, als heute?
Oh, es war wirklich ganz anders. Die Besucher des Fischmarkts waren in erster Linie Hafenarbeiter, tausende kamen von Baumwall rüber, zum Teil auch mit Schuten. 10 – 15 Fischkutter lagen am Kai und verkauften ihren frischen Fang. Die geräucherten Aale wurden aus Holzkisten verkauft, undenkbar heute! Lebende Tiere, wie Kaninchen und Hühner wurden auch verkauft. Natürlich kamen auch Hamburger zum Einkauf auf den Fischmarkt. Die Menschen hatten damals nicht viel, man half sich gegenseitig, gab etwas ab und die Tugend "Nächstenliebe" war verstärkt vorhanden. Ich gehöre ja zur Nachkriegsgeneration, zum Beispiel musste ich meine Socken auf einem Holzpilz selbst stopfen, zudem stricken und häkeln lernen.
Heute kommen in erster Linie Touristen auf den Fischmarkt. Der Markt ist immer noch gut besucht, das liegt eben an der Lage und dem Hafen! 
Mein Geschäftsprinzip war und ist ausschließlich Qualitätsware zu verkaufen! Der Aal ist leider teuer, das müssen die Leute akzeptieren! Die heutigen Händler sind nicht gelassen, sie müssen sich behaupten neben vielen weiteren, zusätzlichen Anbietern und kämpfen außerdem gegen das veränderte Konsumverhalten an. Kochshows angucken, ist was anderes als tatsächlich selbst zu kochen, sagt er grinsend.

Welches Erlebnis war in den 60 Berufsjahren als Aalhändler besonders schön?
In Hamburg stand eine Traube von Menschen an meinem Stand, ich entdeckte eine junge Frau und einen jungen Mann und rief ihnen in meiner lockeren Mundart zu: Wenn ihr Beide euch paart, dann möchte ich vom ersten Wurf einen abholen. Ungefähr vier Jahre später steht eine Frau an meinem Verkaufsstand und besteht darauf, dass ich unbedingt mit ihr in die Fischauktionshalle gehen solle. Da sie gar keine Ruhe gab, ging ich schließlich mit. Sie stets antreibend, komm’, komm’ mal mit....
Und dort stand ein Mann, an einem mit Sektgläsern gedeckten Tisch, und wartete auf uns. Er strahlte mich an und sagte: "Heute möchten wir uns bei dir bedanken und mit Sekt anstoßen. Wir kannten uns nämlich gar nicht, als du uns damals an deinem Stand quasi verkuppelt hast. Du gabst mir den Mut, meine heutige Frau anzusprechen. Wir danken dir herzlich Aale-Dieter!"

Wird es den Hamburger Fischmarkt in 20 Jahren noch geben?
Das ist schlecht einzuschätzen, er ist ja kein Schweinebraten im Ofen, grinst er. Aber wenn Vieles richtig gemacht wird, sollte es noch XX Jahre weiter gehen. Allerdings weiß ich nicht, ob es dann noch solche Typen wie mich geben wird. Ich vermute, dass ich eine aussterbende Spezie bin.
Würden Sie Ihren Beruf wieder wählen?
Ja. Mir macht es nach wie vor Freude, selbständig zu sein und meine Aale zu verkaufen. Und was die Presse und den Eventbereich angeht: Ich bin nie hinter einer Sache hergelaufen, alles was gekommen ist, kam zu mir!
Würden Sie jungen Menschen zu Ihrem Beruf raten?
Sich heute mit Aal bzw. Fisch selbständig zu machen, ist schwer. Ein gewisses Fundament muss schon da sein, um alle Vorschriften erfüllen zu können, zur Hygiene oder Kühlung, Vorfinanzierung usw. Außerdem muss man sich als Mensch dafür eignen.
Haben Sie eine Vision – einen Wunsch für die Zukunft?
Ich bin glücklich und total zufrieden mit meinem Leben, möchte mit Niemandem tauschen. Mache noch gern so weiter – vielleicht bis die 100 voll ist, sagt der 80jährige Dieter B. schelmisch.
Haben Sie noch Zeit für ein Hobby?
Früher bin ich ja - sogar erfolgreich - Trabrennen gefahren, das mache ich jetzt nicht mehr, ich brauche gesunde Knochen für meinen Job. Gern bin ich mit meiner Familie zusammen, mache mal längeren Urlaub und an meinen freien Tagen engagiere ich mich sozial, z.B. für die SOS Kinderdörfer, Hamburg Leuchtfeuer u.v.m. und moderiere Events in der Handelskammer – eben was so auf mich zukommt.

Vielen Dank für das interessante Jubiläumsgespräch und herzlichen Glückwunsch zum 80. Geburtstag und zum 60. Geschäftsjubiläum!
Das Gespräch führte Barbara Gitschel-Bellwinkel im Mai 2019.

Zu den kleinen Bildmotiven:
Aale-Dieters Verkaufsanhänger: natürlich mit Hamburg Kulisse!
Hamburgs Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher hielt am 12.Mai 2019 eine Laudatio auf Aale-Dieter in der Hamburger Fischauktionshalle. Er hofft - ganz im Sinne Hamburgs - auf viele weitere, aktive Jahre des Jubilars. Auf diesen ungewöhnlichen Botschafter sind wir nämlich alle stolz!
Fotos©Barbara Gitschel-Bellwinkel